Freitag, 30. Dezember 2011

In eigener Sache

Heute schließe ich meinen Blog "52 Satzwerke".
Dem Blog "365 Zeilen" folgend entstand in der ersten Januarwoche die Idee, ein Jahr lang zu versuchen, jeden Freitag einen nahtlosen Prosatext zu veröffentlichen, der Eindrücke vergangener Tage und grundsätzliche gute Perspektiven enthielt. Im Gegensatz zu "365 Zeilen", wo ich mir unsicher war, war ich mir hier sicher, dass es gelingen würde.

Ich freue mich nach einem Jahr unverändert an den Texten, sie sind für mich nachhaltig, nachdenklich und nachwirkend. Alle haben sie irgend etwas mit mir zu tun ...

Es wird etwas Neues entstehen, aber in anderer Form ...

In diesem Sinne allen, die hier gelesen haben, alles Gute für den Ausklang des Jahres, viel Schönes beim Jahreswechsel und gute Pläne fürs neue Jahr. Mögen uns die Worte und Stimmen nicht ausgehen.

Herzlichst

Hermann Josef Schmitz

Satzwerk 52

noch einmal aufbegehren verwundbar bleiben in lebensläufen fräsen zweifel das alte jahr ist abgelaufen es hält sich nicht mehr es hat die mindesthaltbarkeit verloren man kolportiert es werde bald ein neues kommen ganz unbekannt und noch verschlossen hältst du in deiner tasche einen kleinen vogel der leise warm in seiner schale liegt spürst seinen schnabelschlag den unnachgiebigen ist dir das neue jahr ans herz gelegt den verletztlichen und den starken zugleich noch schaust du lange in den himmel siehst wie sich eine vogelkette hinter den horizont schwingt bald kleiner wird und kleiner bis sie hinunter fällt am rand der gipfel die hell im lichterglanz den neuen tag eröffnen jetzt ist der himmel still kein schwingen kein schmirgeln doch ahnen wenn die flügel noch ungelenk die luft zerschneiden spürst du den kleinen vogel bald wird die schale aufgebrochen sein ein erster ton ein krächzen dann ein singen ein erster flügelschlag ein flattern dann reisst es die dünne luft auf und fliegt hinaus wir bleiben und wir schauen ins lichte blau scheinbar ist nichts geschehen und doch so viel es gilt von neuem zu beginnen die blätter weiss mit worten anzufüllen die hände leer mit zärtlichkeit zu füllen und liebe in das neue jahr zu säen es gilt von neuem zu beginnen

© 52 Satzwerke

Freitag, 23. Dezember 2011

Satzwerk 51

die weihnachtsmärkte gehen unter selten mischen sich engel unters volk ihre stimmen sind längst verloren gegangen zwischen bratwürsten und glühwein singt ein verlorener stille nacht und weiß längst nicht mehr wann die stille umstürzte irgendwann ist etwas schief gelaufen man kann nicht mehr abschalten kann nichts mehr abschalten ist rund um die uhr die lagerfeuer sind die plätze vor den livetickern geht dauernd die welt unter auch die weihnachtsmärkte verlieren ihren index bewertet nicht mehr die geburt jesu ist längst eine faule ausrede geworden zwischen den büchern destilliert sich die wahrheit zwischen den niedergängen absorbiert sich das leben und beginnt wieder von neuem etwas ist schief gelaufen irgendwann hast du dich verloren die saubermänner sind auf fahnenflucht alles im gepäck was zum luxus reicht an den straßen stehen die armgewordenen pilger für die nichts bleibt außer der nackten wahrheit schaust du nach dem wert von etwas das es nicht gibt sie handeln leerräume niedergänge zufälle ausreden sie handeln um ihr leben und merken es nicht etwas ist schief gelaufen und niemand hilft dir da raus geh nachhause schalte die welt auf den bildschirmen ab entzünde eine kerze eine für dich und schau nach auf weißem papier liegt die geschichte wie ein schatten und es braucht nichts mehr als eine hand einen arm ein herz im gleichklang ein mensch der dir etwas bedeutet und dann kannst du wieder beginnen es ist an der zeit sie ist immer richtig

© 52 Satzwerke

Freitag, 16. Dezember 2011

Satzwerk 50

wer tröstet die vergessenen zärtlichkeiten und noch viel mehr all die hautfenster die ins leere schauen und das gepäck das sie tragen ohne liebe so schwer und an den ständen in den geschmückten städten singen sie schon wieder falsch wie jedes jahr last christmas und john lennon dreht sich wo auch immer die kassen stürzen in den verlust zwischen backwerken und laufbändern haben sie aufgegeben feiertage traurige feste zweitbeste lösungen und keine post mehr nur noch blaue briefe ermahnungen ausgerichtet an die falschen werte die man sich geschenkt hat die zärtlichkeiten sind es die notwendig wären im lustvollen schweigen in geschenkten räumen werde ich meine eigenen worte ihrem reim überlassen und keine lieder singen viel zu schön kann das schweigen sein zärtlich behutsam in die stille schwingt sich der stolz aufrichtig kaum erfassbar ein inniges gefühl und du würdest diesen moment unter den hohen decken zwischen dem fenstergitter leuchtet der mond würdest du diesen einen moment gerne halten die zärtlichkeiten bleiben im vergehen und kommen aufs neue das wird ein fest ein leuchten ein liebevolles halten zwischen den augen

© 52 Satzwerke

Freitag, 9. Dezember 2011

Satzwerk 49

man kann den sternen glauben gläubige oder gläubiger das ist ein großer unterschied und manchmal auch keiner ob die wahrheit hinter der welt entsteht oder sowieso sind die erwartungen nicht immer zu erfüllen wonach fragt einer wenn er etwas nicht will und wenn das fragen im schweigen es lohnt sich nicht aufzugeben geduldig zu bleiben unbedingt zu lieben was dir in der geburt geschenk geheimnis ein seidener himmel aus lichtem grau wir werden an einem freitag nicht wissen können die läden voll stoff musik und liebe zwischen den stunden den verpflichtungen entwachsen gönnen wir uns dem leben die schweren zeiten haben etwas versöhnliches in der nachbetrachtung und vieles ist anders als sie die pflegesätze festlegten sprachen sie von geld dabei ging es um etwas anderes jetzt hat man die türen verschlossen keine interviews keine bilder die einsamkeit duldet keine gesellschaft keine aufmerksamkeit und meistens hat sie so nichts mit der stille kommen die schweren gedanken und wenn du sorgfältig bist die freude und die besinnung auf dich selbst das el dorado der wörter blau im überfluss des spätherbstes verschwunden morgen wird dich der tag aufs neue versuchen lassen dir versuchung sein geh die träume entlang und lass dich fallen in die umarmung der aufhellenden stunde vertraue dem was du noch nicht kennen kannst vertraue dir in dem was du sein wirst

© 52 Satzwerke

Freitag, 2. Dezember 2011

Satzwerk 48

die kragenweite passt herr von eden nicht in die schablone die bewegungen sind gespalten jemand fordert die karten auf den tisch zu legen aber nichts ist sicher vor nichts und niemand und das ist die chance sich dem leben aufrichtig zu stellen das bezeichnende hervorzuholen danach zu suchen die alten wunden löschen die nichts besser machen und den einsatz erhöhen für die freude am leben hat man zu lange geschwiegen nichts tröstet mehr die himmelweiten fenster scheinen erreichbar aber du hast die worte falsch verstanden bleibst markiert für die jahre die kommen ohne sicherheit der tritt ins leere der fall in die höhe der verlegene ruf ist untergegangen auf den märkten kauft einer eine tanne und einer trägt worte in seiner tasche von hier und damals und morgen und bald schreiben sie von seilschaften verwandschaften hintergründe dann gehst du dorthin wo die andere seite von dir wohnt und schaust auf dich und findest mehr liebe als du geahnt hast findest mehr freude als die dunkle seite der nacht verriet findest mehr gelassenheit als das leben erwartet hat so kannst du deinen kragen weiten und dich nicht fragen ob es wichtig ist die karten auf den tisch zu legen sondern zu wissen du brauchst kein ass im ärmel das leben ist anders und es ist dir in allem letztlich gut

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Freitag, 25. November 2011

Satzwerk 47

kann man die zukunft bejahen oder ist das ein falsches versprechen um die gewinne zu begünstigen und die zukunft anderer zu bejahen wie lässt sich etwas beschreiben anstatt zu bejahen oder zu verneinen worum geht es denn eigentlich was ist die zukunft und wie schmecken zankäpfel den auslieferungen ausgeliefert sein horizontal und niemand fragt dich was er gerne fragen würde die wege trennen sich recken sich vergebens die hohen räume die vertrockeneten regentöpfe der blaue fisch schwimmt nicht mehr bevor der advent beginnt fallen in den nächtlichen hinterhöfen die tannenbäume in den himmel immer hat einer andere möglichkeiten andere ausreden tolle argumente und doch geht es um die alleingebliebenen auch ohne weihnachtsbäume die wärmen nicht nachts wenn einer nach schutz sucht wenn einer eigentlich nichts mehr benötigt als einen zuneigenden blick eine bestimmung einen moment in dem das alleinsein ausgegrenzt wird dann kannst du dich aufmachen es gibt so viele gelegenheiten abseits der vorgaben der moralischen wenn und aber lachendes und weinendes auge kann sich aufmachen und das tun was ein lachendes und ein weinendes auge am besten kann nicht in die zukunft schauen denn die ist immer jetzt und das zählt der zugeneigte blick das ankommen und bleiben das umarmen das verschenken von zeit nähe und herzlichkeit ist immer möglich

© 52 Satzwerke